Sein Traum war es, Arzt zu werden und kranken Menschen zu helfen. Zehn Semester lang schlug sich Ernst Schmitt (Name geändert) durchs Medizinstudium. Dann scheiterte er an einer Prüfung. „Er versuchte es noch einmal mit einem zweiten Studium. Doch auch das gelang nicht“, berichtet Klaus Miller vom Sozialpsychiatrischen Dienst (SpDi) des Erthal-Sozialwerks, wo Ernst Schmitt als einer von jährlich rund 400 Klienten aus Stadt und Kreis Würzburg seit fünf Jahren begleitet wird.
Offiziell ist Schmitt psychisch krank. Er leidet unter Depressionen. Wobei Klaus Miller mit dem Etikett „Psychische Störung“ nicht wirklich glücklich ist. Schmitt gehört nach Millers Worten zu jener immer größeren Personengruppe, die das, was gesellschaftlich verlangt wird, einfach nicht erfüllen kann.
Der heute 63-Jährige konnte noch nie gut Stress und Druck ertragen. Das Tempo in der Bildungs- und Arbeitswelt überforderte ihn. Schmitt ist sehr intelligent und belesen, gleichzeitig aber hochsensibel und extrem dünnhäutig. Bevor er etwas sagt, denkt er lange nach. Das macht ihn für Gesprächspartner anstrengend. All dies trug dazu bei, dass Schmitt mit den Jahren immer stärker isoliert wurde.
Mit seiner „Unfähigkeit“, zu funktionieren, steht Schmitt nicht alleine da. Das zeigen die Fallzahlen beim SpDi. Miller: „Die stiegen bei uns in den letzten zehn Jahren um 30 Prozent an.“ Dass Schmitt mit dem Erthal-Sozialwerk in Berührung kam, hat er dem Arbeitsamt zu verdanken. Vor 15 Jahren wandte er sich an die Behörde, nachdem seine Eltern gestorben waren. Die hatten ihn bis zu ihrem Lebensende finanziell unterstützt, so dass Schmitt nach den beiden gescheiterten Studiengängen bescheiden leben konnte, ohne arbeiten zu müssen. Das Arbeitsamt vermittelte ihn in die Werkstätte für psychisch Kranke des Erthal-Sozialwerks. Dort erfuhr Schmitt vom SpDi. Und davon, dass es hier eine Menge Angebote für Menschen mit seelischen Schwierigkeiten gibt. Miller: „So nahm er immer öfter an Freizeitaktivitäten von uns teil.“
Hilfe beim Wohnung-Entrümpeln
Seit einiger Zeit ist der Kontakt zum Sozialpsychiatrischen Dienst noch enger. Was daran liegt, dass durch Zufall bekannt wurde, in welchem chaotischen Zustand die Wohnung des SpDi-Klienten war. Das rief das Gesundheitsamt auf den Plan, das wiederum den SpDi informierte. Daraufhin ging Miller zusammen mit seinem Kollegen Peter Brückner vom Wohnverbund des Erthal-Sozialwerks zu Schmitts Wohnung.
„Die Wohnung war nicht so, wie man sich normalerweise eine Messie-Wohnung vorstellt“, schildert Brückner. Es habe keine verschimmelten Speisereste oder leeren Bierflaschen gegeben. Doch alles sei mit Büchern, DVDs und Zeitschriften total vollgestellt gewesen, jahrelang habe niemand mehr Staub gewischt.
Auch Brückner hat inzwischen viel mit Schmitt zu tun, weil dieser nun im Betreuten Wohnen des Erthal-Sozialwerks ist. Eine Kollegin aus Brückners Team ist im Moment dabei, mit dem Klienten die Wohnung zu säubern und zu entrümpeln. Das geschieht mit äußerster Behutsamkeit, so Miller. Im Tempo des Klienten. Mit Respekt gegenüber seinen Vorlieben. Und ganz an seinen Wünschen orientiert.
Ebenso wie im SpDi steigt auch im Wohnbereich die Nachfrage kontinuierlich, sagt Peter Brückner. 84 Menschen mit einer seelischen Krankheit werden derzeit in der Stadt Würzburg sowie in umliegenden Gemeinden vom Team des Erthal-Sozialwerks betreut. Dies geschieht zum einen durch Sozialarbeiter, seit einiger Zeit jedoch auch durch Menschen, die selbst psychisch krank waren oder auch noch sind, sich allerdings gut stabilisiert haben.
„Genesungshelfer“ arbeiten mit
„Genesungshelfer“ heißen diese Mitarbeiter, auf die das Erthal-Sozialwerk immer stärker setzt - sowohl im SpDi als auch im Wohnverbund. Zwei solcher Genesungshelfer, die eine einjährige Ausbildung hinter sich haben, sind derzeit im Betreuten Wohnen im Einsatz. im Moment arbeiten sie noch gegen Aufwandsentschädigung. „Unser Ziel ist es allerdings, sie sozialversicherungspflichtig zu beschäftigen“, sagt Brückner.
Ob dies gelingt, hängt nicht zuletzt vom Bezirk Unterfranken ab. Denn der müsste das Pilotprojekt finanzieren. Ein Antrag dazu wurde bereits gestellt. Peter Brückner hofft, dass er bald positiv beschieden wird.
Sozialpsychiatrischer Dienst
In Würzburg berät der Sozialpsychiatrische Dienst des Erthal-Sozialwerks seelisch kranke Menschen und ihre Angehörigen. 400 Klienten nutzten die Angebote derzeit pro Jahr. Der Dienst wird vorwiegend durch den Bezirk Unterfranken sowie durch Eigenmittel des Erthal-Sozialwerks finanziert. Neben der persönlichen Beratung gibt es einen Gesprächskreis für Angehörige, 2016 startet außerdem eine Gruppe für Frauen mit Depressionen. Alle Angebote sind für Betroffene und Angehörige kostenlos.
Kontakt: Tel. (09 31) 5 54 45 oder spdi.wuerzburg@erthal-sozialwerk.de. Der Dienst befindet sich in der Juliuspromenade 3.
Bild/Text: Pat Christ